Die Kosten eines Maßanzugs
- Sebastian Hoofs
- 29. Jan. 2017
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Juni
Einblicke in eine Kalkulation
Maßschneider wird man aus Leidenschaft – nicht wegen des Profits
Maßschneider bin ich aus voller Überzeugung geworden, denn auf finanzieller Ebene gibt es dafür in Deutschland keinerlei Anreiz. Kennzahl gefällig? Bei der Ausbildung in Deutschland sind im dritten Lehrjahr rund 700 Euro empfohlen. Danach wartet auch nicht der große Reichtum: Der aktuelle Mindestlohn ist der Maßstab – wenn man denn eine der wenigen Stellen ergattern kann. Und damit hat es sich. Ein Trinkgeld, wie beim viel zitierten Friseur, gibt es zumeist auch nicht.
Wie kommt das?Wir machen diesen Job gern und freuen uns über jeden Auftrag, der ein spannendes Projekt bringt. Und so kalkulieren die meisten Maßschneider ihren Preis über die Kosten und orientieren sich am Wettbewerb – der ebenfalls nur die Kosten kalkuliert. Die Kosten bestehen zu 60–80 % aus Lohnkosten, und so liegt es nahe, am Lohn zu sparen.
Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir als Maßschneider aus diesem Kreislauf ausbrechen und mit Selbstbewusstsein zu unserer Leistung stehen müssen.Wir schaffen mit viel Fachwissen, Handarbeit und hochwertigem Material ein individuelles wie langlebiges Produkt mit sehr guten Trageeigenschaften.
So kalkuliert ein Maßschneider die Kosten eines Maßanzugs
Auf meiner Webseite finden Sie derzeit folgenden Preis:
„5.280,- € für die Anfertigung auf Vollmaß zzgl. Materialien“
Viel Geld, gewiss, aber angemessen, wie ich Ihnen mit meiner Kalkulation demonstrieren werde. In Kurzform rechnet es sich so:
80 Stunden x 66 € pro Stunde = 5.280,- €
Aber lassen Sie uns mal genauer hinschauen:
Die Arbeitszeit von 80 Stunden ergibt sich aus der Summe der Einzelschritte. Es ist meine persönliche Pauschale, die auf Erfahrungen bei einem guten Durchlauf der Anfertigung beruht. Beim ersten Sakko sind es meist sogar einige Stunden mehr, da zunächst der persönliche Schnitt gefunden werden muss und die Beratung beim ersten Mal umfangreicher ist.
Seriöse Maßschneider werden ebenfalls Werte von 80 bis 100 Stunden nennen – und alle haben sie ihre Gründe: Einige arbeiten rationeller, manche kleben Einlagen, und andere gehen von einem Basis-Maßanzug aus und berechnen aufwendige Details gesondert. Ich habe mich für eine Pauschale entschieden, damit ich mich gemeinsam mit meinen Kunden ganz auf das Design konzentrieren kann.
Der Stundensatz von 66 € ergibt sich aus einer Mischkalkulation.Sie setzt sich aus dem Satz für meine Mitarbeiterin und meiner eigenen Zeit zusammen. Im Preis enthalten sind neben Lohn, Sozialabgaben und Umsatzsteuer auch Betriebskosten, Miete, Versicherungen etc.Das lässt sich in unserem Atelier recht einfach kalkulieren, da wir bei diesem Zeitaufwand zu zweit drei bis vier Maßanzüge im Monat schaffen.
Rechnen wir das mal auf den Alltag um: Bei zwei Anzügen trägt sich das Geschäft, bei drei Anzügen können wir ein wenig vorsorgen, und bei vier Anzügen ist auch ein Urlaub drin.
Auch beim Stundensatz werden Sie in Deutschland unterschiedliche Werte im Bereich von 30 bis 80 € finden – denn jedes Atelier hat andere Fixkosten und rechnet anders. Gerade die Miete in der Kölner Innenstadt möchte ich derzeit nicht zahlen – mein Können und das meiner Mitarbeiterin aber auch nicht unter Wert anbieten.
Die Materialkosten liegen meist zwischen 500 und 750 Euro – für 3,50 m Oberstoff, 1,60 m Futterstoff, Einlagen, Knöpfe und Garne. Die Bandbreite ist hier wirklich groß, aber unter 80 €/m für Oberstoff findet man selten gute Qualitäten.
Ein zweiteiliger Maßanzug inklusive Material kostet in Deutschland also im Schnitt zwischen 5.500 und 7.800 Euro – bei einer Anfertigung auf Vollmaß, mit individuellem Schnitt und zwei bis vier Anproben. Und selbst das ist vor dem Hintergrund meiner Kalkulation in den meisten Fällen noch zu knapp veranschlagt.
Ein echter Maßanzug lohnt sich
Die Investition in einen Maßanzug ist selten eine Vernunftsentscheidung, sondern bemisst sich daran, ob man diese Wertigkeit für sich als wichtig erachtet oder nicht. Natürlich braucht man auch die finanziellen Mittel, aber aus meiner Erfahrung wird ein Maßanzug von meinen Kunden nicht als Luxus-Gut verstanden, sondern als treuer Begleiter. Der Luxus ist dann eher die "sündhaft" teure Markenuhr, die zum Anzug passt – aber auch hier gibt es sicherlich gute Gründe für den Preis ;-).
Es gibt aber auch ganz rationelle Gründe für einen Maßanzug:
Er sitzt!
Sie fühlen sich wohl in Ihrer Haut.
Sie wirken selbstsicherer.
Ihre Umwelt bemerkt das und schreibt Ihnen mehr Kompetenz zu.
Ihre Chancen in Präsentationen und Verhandlungen steigen.
Er ist langlebig!
Ein Maßanzug ist hochwertig verarbeitet.
Ein guter Schnitt kommt nie aus der Mode.
Sie können ihn wirklich lange tragen.
Es ist ein Erlebnis!
Sie wählen bei einem Kaffee Ihren Anzug aus und werden dabei gut beraten.
Sie erleben, wie aus einem Stoff, Einlagen und Faden Ihr Maßanzug entsteht.
Am Ende sind Sie zufrieden, weil Sie keine Kompromisse gemacht haben.
Maßkonfektion – eine Alternative?
Es kommt drauf an. Nicht jeder will oder kann sich einen Maßanzug leisten. Das ist auch nicht nötig, denn mit der Maßkonfektion gibt es eine Alternative. Die Optionen sind limitierter, die Herstellung industrieller, aber es ist ein Anzug nach Ihren Maßen und der sollte dann auch sitzen, oder? Das sollte er und es ist – in einem bestimmten Rahmen – auch möglich.
Was wichtig bei der Maßkonfektion ist:
Wer nimmt Maß?
Welche Besonderheiten werden gesehen?
Welche Schlüsse werden gezogen?
Leider ist allzu oft die Antwort: Ein geschulter Verkäufer, der meist nur die klassischen Passformstörungen kennt und erkennt. Bei Besonderheiten passiert es schnell, dass falsche Änderungen erfasst werden und der Anzug dann doch nicht richtig sitzt.
Eine gute Alternative ist die Maßkonfektion vom Maßschneider. Viele Kollegen haben sich so ein zweites Standbein geschaffen und können Sie fachmännisch beraten. Die Preise liegen in der Regel zwischen 900 Euro und 2.500 Euro, je nachdem mit welchen Partner man zusammenarbeitet und wie und wo angefertigt wird.
Stand: 06.2025